1990 – 1993: Gründung des Vereins und Einstellung der Naumburger Straßenbahn
Als sich nach der politischen Wende 1989/90 die Einstellung der Naumburger Straßenbahn abzeichnete, organisierte sich eine Initiativgruppe für deren Erhalt. Mit einer Unterschriftenaktion und Diskussionsrunden mit allen Entscheidungsträgern am „rundem Tisch“ versuchte man, die drohende Stilllegung zu verhindern. Es wurden Hilfsangebote über Schienen, Fahrleitung und Fahrzeugen deutschlandweit eingeholt, von denen keines angenommen wurde. Zeitgleich übernahm die Stadt Naumburg die Straßenbahn von der Treuhand und führte den Betrieb zunächst weiter.
Da die Stadt weiterhin keine Entscheidung über die Zukunft der Naumburger Straßenbahn traf, formierte sich die Initiativgruppe am 18. Juni 1991 als Verein „Naumburger Verkehrsfreunde e. V.“. Als Vereinsziel wurde der Erhalt und Aufbau der Ringstraßenbahn festgeschrieben. Aufgrund von Bauarbeiten in der Bahnhofsstraße verkehrte die Straßenbahn am 18. August 1991 zum letzten Mal in diesem Jahr. Von einer Einstellung war zu dieser Zeit keine Rede. Der Verein führte Weihnachten 1991 mit der „Weihnachtsstraßenbahn“ die erste eigene Sonderfahrt durch und sorgte so wenigstens für etwas Fahrbetrieb.
Durch Verzögerungen bei den Bauarbeiten konnte die Straßenbahn im Frühjahr 1992 immer noch nicht fahren. Die Stadt verfügte trotz laufender Bauarbeiten die Entlassung fast aller Angestellten der Straßenbahn. Um ein Zeichen zu setzen, organisierte unser Verein ein Fest zum 100 jährigen Bestehen der Naumburger Straßenbahn am 19. und 20. September 1992. Dabei konnte Triebwagen 23 zumindest zwischen Depot und Theaterplatz pendeln. Im selben Jahr übernahm der Verein Triebwagen 17 von der Stadt, um ihn vor der Verschrottung zu retten. Ende 1992 verschwanden die Gleise in der Weimarer Straße unter dem Asphalt. Es gab immer noch keine Entscheidung über die Zukunft der Straßenbahn seitens der Stadt.
Im Frühjahr 1993 wurden die letzten Angestellten der Straßenbahn versetzt. Um Beiwagen 1 vor der Verschrottung zu bewahren, übernahm der Verein auch dieses Fahrzeug. Da immer deutlicher wurde, dass die Stadt kein Interesse am Betrieb der Straßenbahn hat, wurde die Gründung einer privaten Gesellschaft zum Betrieb der Bahn vorbereitet.
1994 – 1998: Neuanfang
Am 14. März 1994 gründete sich die Naumburger Straßenbahn GmbH und pachtete die Anlagen der Straßenbahn. Der Vertrag mit der Stadt zielte darauf, die Ringbahn wieder in Betrieb zu nehmen. Mit Hilfe des Vereins und zahlreicher anderer Unterstützer sowie privater Mittel gelang es, das Teilstück Jägerplatz-Theaterplatz zu sanieren und Zweirichtungswagen für den Fahrbetrieb zu beschaffen. Im Juni 1994 konnte damit der Straßenbahnbetrieb aufgenommen werden; zunächst nur zu Festen und für gebuchte Sonderfahrten. Der Verein entschloss sich, die Zusammenarbeit mit der Jenaer Nahverkehrsgesellschaft mbH aufzunehmen, was in der Namensänderung in „Nahverkehrsfreunde Naumburg-Jena e. V.“ seinen Ausdruck fand.
Der Vereinsarbeit in Jena war geprägt von Veranstaltungen wie dem „Tag der offenen Tür“ und diversen Sonderfahrten. Zusätzlich erfolgte die Umsetzung des LOWA Triebwagens 27 von Naumburg nach Jena. Nach abgeschlossener Hauptuntersuchung steht das Fahrzeug seit 1998 für Sonderfahrten zur Verfügung. In Naumburg arbeitete der Verein vor allem an den eigenen Fahrzeugen. Es wurden wichtige Schritte zur Konservierung von Triebwagen 17 unternommen. Trotz des Vertrages zwischen der Naumburger Straßenbahn GmbH und der Stadt, verschwanden immer mehr Anlagen der Ringbahn bei Bauarbeiten. Verein und Straßenbahn GmbH überlegten daher, erneut ein deutliches Zeichen zu setzen.
Die Strecke Theaterplatz – Vogelwiese war unter einer Asphaltdecke begraben, die nach den abgeschlossenen Bauarbeiten hätte entfernt werden müssen. Da dies nicht im Auftrag der Stadt erfolgte, entfernten Vereinsmitglieder die 64t Asphalt im Oktober 1998 auf eigene Faust. Die Aktion unterstrich die Bestrebungen des Vereins deutlich, und führte dazu, dass die Stadt Naumburg wieder zu Verhandlungen mit der Naumburger Straßenbahn GmbH bereit war. Der neue Vertrag vom Dezember 1998 verpflichtete die Stadt, den Abschnitt Hauptbahnhof – Salztor wieder aufzubauen. Dafür verzichtete die Naumburger Straßenbahn GmbH auf den restlichen Abschnitt des ehemaligen Rings.
1999 – 2006: Von der Vogelwiese bis zum Hauptbahnhof
Die Stadt nahm den neuen Vertrag ernst. In den nächsten Jahren wurde Stück für die Stück die Strecke von der Vogelwiese bis zum Hauptbahnhof saniert. Am 16. Dezember 2005 wurde die Strecke in ihrer heutigen Form feierlich eröffnet. Somit sind rund 2/3 der ursprünglichen Ringbahn wieder befahrbar. Die Zusammenarbeit des Vereins mit der Jenaer Nahverkehrsgesellschaft wurde auf neuer Ebene fortgesetzt: Durch die Beschaffung von Niederflurstraßenbahnen konnten Zweiachser aus Jena nach Naumburg abgeben werden und erweiterten bzw. ersetzten den Fuhrpark. Höhepunkt der bisherigen Zusammenarbeit waren die Feiern zum 100 jährigen Bestehen der Jenaer Straßenbahn im Jahr 2001.
Passend zum Anwachsen der Strecke und des Fuhrparks nahmen auch die Betriebstage kontinuierlich zu. Stand die Bahn 1999 gerade einmal an 50 Tagen in Betrieb, fuhr man 2003 von März bis September an jedem letzten Wochenende im Monat, zu Festen und in der Vorweihnachtszeit. Die Dienste wurden zum überwiegenden Teil durch Vereinsmitglieder erbracht und machten damit einen Großteil der Vereinsarbeit aus. Um den Betrieb 2006 auf jedes Wochenende von Ostern bis Ende Oktober ausdehnen zu können, stellte die Naumburger Straßenbahn GmbH einen Mitarbeiter für Werkstatt und Fahrdienst ein. Dies ermöglichte dem Verein, sich wieder auf die Aufarbeitung der Vereinsfahrzeuge zu konzentrieren. Bei Triebwagen 17 war man an einen Punkt gekommen, wo es ohne viel Geld und eine Fachfirma nicht weiter ging. Daher entschied sich der Verein, die Aufarbeitung von Beiwagen 1 zu beginnen.
2007 – heute: Täglicher Betrieb der Naumburger Straßenbahn und neue Aufgaben für den Verein
Vom 30. März bis zum 1. April 2007 veranstalteten unser Verein und die Naumburger Straßenbahn GmbH ein Fest zum Jubiläum „100 Jahre elektrische Straßenbahn“. Als besonderer Gast befand sich Triebwagen 401 der Halleschen Straßenbahn in Naumburg, der zur gleichen Serie wie der Naumburger Triebwagen 17 gehört. Höhepunkt war die Eröffnung des täglichen Betriebes durch die Naumburger Straßenbahn GmbH. Dazu wurden weitere Mitarbeiter eingestellt, sodass der Betrieb seitdem durch Angestellte abgesichert ist. Erstmals seit 1991 fuhr die Straßenbahn wieder jeden Tag. Zum Fest kündigte der Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt an, den täglichen Betrieb im Rahmen eines Modellprojektes zu unterstützen. Weitere finanzielle Unterstützung leistet die Stadt Naumburg. Der zunächst befristete Probebetrieb wurde mehrfach verlängert. 2010 übernahm das Land Sachsen-Anhalt schließlich die dauerhafte Förderung der Straßenbahn als ÖPNV. Somit steht die Naumburger Straßenbahn weiterhin täglich im Einsatz.
Vereinsmitglieder unterstützen die Naumburger Straßenbahn GmbH weiterhin als Schaffnern und Fahrer, vor allem bei Sonderfahrten und Stadtfesten. Die Arbeit an den Vereinsfahrzeugen steht stärker im Mittelpunkt. Neben weiteren Maßnahmen an Beiwagen 1 waren nun auch genügend Mittel und eine Fachfirma für die Aufarbeitung von Triebwagen 17 vorhanden. Im November 2009 wurde das Fahrzeug zum Geraer Verkehrsbetrieb transportiert. In den letzten Jahren ist die Sanierung sehr gut vorangekommen. Um die Geschichte der Straßenbahn bekannter zu machen, bietet der Verein Depotführungen in Naumburg an. Damit wurde ein zusätzliches Angebot für Touristen geschaffen. Nach Ankündigung einer Baumaßnahme am Wenzelsring bestand Hoffnung auf die Erweiterung der Ringbahn von der Vogelwiese bis zum Salztor. Vereinsmitglieder begannen 2009 mit der Freilegung der alten Trasse und setzten an der künftigen Endhaltestelle ein Haltestellenschild.
Die Vereinsarbeit in Jena wurde ausgebaut. Wir leisteten große Unterstützung beim Tag der offenen Tür 2007 und beim Fest „100 Jahre Straßenbahn Winzerla“ 2008. Mit über 400 ehrenamtlichen Arbeitsstunden haben wir zum Gelingen des großen Jubiläums „111 Jahre Jenaer Nahverkehr“ 2012 beigetragen. Zukünftig wollen wir die „Lange Nacht der Museen“ in Jena nutzen, um die Geschichte der Jenaer Straßenbahn erFAHRbar zu machen.
Unsere Ziele haben sich in der über 20 jährigen Vereinsgeschichte nicht geändert: Wir setzen uns für den Wiederaufbau der Ringstraßenbahn in Naumburg sowie den Erhalt der historischen Fahrzeuge in Naumburg und Jena ein!